Viele von uns haben ihr Wissen über Obstbäume und den richtigen Baumschnitt von ihrem Opa vermittelt bekommen. „Man muss eine Mütze durch den Baum werfen können!“ oder „Alle Wasserschosser müssen raus!“ sind Sätze, die vielen im Gedächtnis hängen geblieben sind. Leider entsprechen solche pauschalen Formeln keiner guten fachlichen Praxis – aber dazu später mehr.
Wir – die Fruchtschnitten Magdeburg – sind eine Gruppe junger ausgebildeter Baumwarte, die sich für die Obstbäume und deren fachgemäße Pflege hier in der Region einsetzen und selber dafür Säge anlegen. Nachdem wir für den NABU Barleben sowie bei verschiedenen Streuobstbetrieben in Sachsen-Anhalt unser Können unter Beweis gestellt haben, wurde uns der Schnittauftrag für ca. 50 Obstbäume an der Hambergstraße bei Samswegen vermittelt. Da der Weg eine beliebte Spazier- und Radfahrstrecke ist, sind unsere Arbeiten dort sicher schon aufgefallen. Wir möchten die Chance nutzen, um auf die Bedeutung von Streuobstbeständen und deren fachgemäße Pflege hinzuweisen. Hochstämmige Obstbäume können bei guter Pflege über 100 Jahre alt werden und bieten durch Blüten, Früchte und Höhlen zahlreichen Arten einen wichtigen Lebensraum. Heute kommt das meiste Obst von intensiv bewirtschafteten Plantagen, wo hochgezüchtete und genetisch stark verengte Sorten unter Beihilfe großer Mengen Pflanzenschutzmittel makelloses Obst für den Supermarkt produzieren. Früher kam unser Obst aus der Region, von in der Landschaft ver“streu“ten Bäumen und sogenannten Obstgürteln, die extensiv bewirtschaftet wurden und nicht mit chemisch-synthetischen Pestiziden behandelt wurden. Auch gab es eine große Vielfalt an Sorten, jede Region hatte ihre typischen Sorten – die meisten drohen heute verloren zu gehen, damit würden wir auch einen Teil unseres Kulturgutes und Chancen zur Nutzung widerstandsfähigerer Sorten verlieren.
Um einen Beitrag zum Erhalt der kulturellen und biologischen Vielfalt zu leisten, haben wir professionelle Baumwart-Ausbildungen, u.a. bei der Obstbaumschnittschule in Thüringen absolviert. Dort haben wir einiges zum naturgemäßen Obstbaumschnitt gelernt, was wir gerne an unsere Kunden, bei Kursen oder hier im Gemeindeblatt, weitergeben. Einige Beispiele möchten wir kurz darstellen, um für eine fachgemäße Pflege zu sensibilisieren und einen positiven Beitrag zum Zustand unserer aller Obstbäume zu leisten:
- „Mütze durch Krone werfen“: Die meisten ausgewachsenen Obstbäume werden zu stark beschnitten. Starker Rückschnitt führt zu einem starken Neuaustrieb, der Baum kann weniger Energie in Blüten und Früchte stecken. Die Wurzeln sind etwa ähnlich ausgebreitet wie die Krone, wird diese jedoch zu stark geschnitten, sterben große Wurzelpartien ab und der Baum leidet.
- „Alle Wasserschosser und Totholz müssen raus“: Das Baumwachstum hängt von Wuchsgesetzen ab. Ohne eindeutige Spitze entwickelt der Baum viele steile Triebe, die nach oben wachsen. Ihre vollständige Entnahme führt nur dazu, dass diese im nächsten Jahr erneut genauso wachsen. Sie können durch richtigen Schnitt aber in fruchtende Äste umgewandelt und in die sogenannte Fruchtholzrotation gebracht werden. Auch Totholz sollte im Baum bleiben, solange es keine Gefahr darstellt. Es bietet für viele bestäubende Insekten Lebensräume und sorgt damit für mehr Bestäubung und Früchte, und lockt weitere Nützlinge an.
- „Einen Ast schnell mal mit der Motorsäge rausnehmen.“: Die Wunden von Obstbäumen verheilen sehr schlecht und sind ein Einfallstor für Schädlinge und Pilze. Bei Kernobst dürfen daher keine Äste mit einem Durchmesser größer 5cm, bei Steinobst sogar keine größer 3cm entnommen werden. Saubere Schnittführung „auf Astring“ und ohne Stummel stehen zu lassen, hilft dem Baum ein hohes Alter zu erreichen. Wenn wir die Obstbäume noch für unsere Kinder oder Enkel erhalten möchten, hat die Motorsäge im Obstbaum nichts verloren.
Natürlich gibt es noch viele andere Dinge zu bedenken und abzuwägen. Wir stehen gerne mit Rat und Tat zur Seite und freuen uns, wenn Sie uns bei einem Spaziergang ansprechen oder auch per Mail mit Fragen löchern.